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Man kam endlich den Ansteckern auf die Spur, und so wie man Einen ergriff, ward er auf dem Twerskoy Boulevard an einem Laternenpfahle aufgehangen. Auch auf unserm Hinterhofe ward einer festgenommen, bey dem man Zündstoffe, sowohl in trockenen, und liquiden Inhalt fand, die ihm von dem Obrist Couteill abgenommen und zu Napoleon gebracht wurden. Der Mann aber ward zur Pforte hinausgeführt, und sogleich erschossen. Der freye Raum hinter unserm Hause war der eigentliche Executionsplatz, darum standen immerwährend einige Compagnien Füseliers auf dem sogenannten Apfelmarkt, auf den man durch den hintern Hof des Demidowschen Hauses hinaustrat. Ich bin wenig in andere Straßen gekommen, aber die Schmiedebrücke, Petrowka, der Kirchhof und die enge Straße, die zur Hauptwache, und zum Hause des Generalgouverneurs führete – welches jetzt vom Marschall Berthier bewohnet war – lagen voll todter Menschen, und crepirter Pferde, über deren schon in Verwesung übergegangene Ueberreste man hinwegsteigen mußte, wenn man seinen Weg fortsetzen wollte. Nur einmal hatte Einer, oder Mehrere den frevelhaften Schertz gemacht, die Todten von der Straße aufzunehmen, und in jeder Nische, des Eckhauses, (rechts von der Schmiedebrücke, nach der Petrowka) einen, oder zwey Leichen, in lächerlicher Stellung hingesetzt, so daß in jeder Nische sich eine komische Gruppe von Todten befand. Ich ging meinen Versprechen gemäß, täglich nach dem Schillingschen Hause, u. hielt dies für eine heilige Berufspflicht, zu welcher mich meine Zusage, und die Dankbarkeit verband, daß diese Familie meine jüngste Tochter mit sich genommen hatte. Diese große Wohlthat empfand ich nun verzehnfacht stark, da ich jetzt erst alle Gefahren erkannte, welchen meine Tochter durch ihr bleiben in Moskau, ausgesetzet worden wäre. Muthig, und vertrauend auf Gottes allmächtigen Beystand ging ich darum so wohl nach dem Schillingschen Hause, wie überall hin, wo ich es für Berufspflicht hielt. Dagegen that ich keinen Schritt, den ich nicht pflichtmäßig machen mußte; und so habe ich – was kaum glaublich scheinet – Napoleon nicht einmal gesehen, obgleich er jeden Tag, um 3 Uhr Nachmittags, dicht an unserm Hinterhause vorbey ritt, und ich nur in die Hofspforte treten durfte, ihn mindestens einmal zu sehen. Die bey uns im Quartier stehenden Obristen, nahmen mir diese Gleichgültigkeit sogar übel, und gaben mir dieserhalb mehrmal Verweise, die ich aber jedesmal entweder mit Mangel an Zeit zu entschuldigen, oder mit dem Versprechen, es nächstens zu thun, wieder zufrieden zu stellen suchte. Genug, ich habe Napoleon nicht gesehen. Desto muthiger ging ich aber überall hin, wo ich es Pflichtmäßig thun mußte. So kam es denn auch, daß ich ohne Begleitung, nicht einmal nach meinen Waaren und Effecten zu sehen wagte, die ich an 5 verschiedenen Orten für Plünderung und Brand wohl verwahret zu haben glaubte, als ich sie 8 bis 10 Tage vor dem Einrücken der Franzosen bey – von einander entfernt wohnenden Freunden – verborgen, und theils vermauert, theils in die Erde vergraben hatte. Erst am sechsten Tage nach Ankunft des Feindes gab mir der Obrist Cuteill eine sauve Garde die mich begleitete, und an vier Orten, fand ich entweder alles verbrannt, wie in der Apotheke des Findelhauses, wo das Feuer wegen der vielen brennbaren Materialien, auch in den untern – für Feuerfest gehaltenen – Keller eingedrungen war, theils aber die Kästen erbrochen, u. ausgeplündert. Am fünften Orte, konnte ich an diesem Tage nicht hinkommen; hörte aber bald darauf von dem Musicus Suck, der mir, beym Hinbringen und Vergraben meiner Sachen geholfen hatte; daß die Keller, im Hause des ehemaligen Schneiders – jetzt Kaufmann Beckers, gleichfalls erbrochen sind, u. offen stehen, in welchen ich einen Theil meiner besten Waaren, und besonders meine Koffer verwahret hatte. Suck versicherte, er sey im Keller gewesen, habe meine erbrochenen Koffer, und mehrere umhergestreuete Sachen gesehen, auf welchen ein todter französischer Soldat gelegen habe. Es dauerte aber mehrere Tage, bis ich wieder ein sicheres Geleit erhalten konnte. Als dieses endlich geschah, begab ich mich in Begleitung eines Gensdarmes dahin u. fand, wie es mich Suck versichert hatte, die Kellerthür erbrochen, ging aber nur sehr behutsam die Kellerstufen hinab, weil ich die dort liegen sollende Leiche, schon in Verwesung vermuthen konnte, da sie nach meiner Berechnung schon über 8 Tage dort war; ich spürete jedoch nicht den mindesten Geruch, ob ich schon dem dort liegenden Soldaten ganz nahe kam. Meine Koffer und Kisten standen wirklich leer da, und viele Pud rohe Seide lag im Keller umher zerstreut – weil diese Waare vermuthlich keinen Werth für die Plünderer hatte. Auf dieser Seide lag auch der Soldat, und unter seinem Kopfe, erblickte ich mein Tagebuch, welches ich im Jahre 1788 angefangen, und 24 Jahr fortgeführt hatte. Meine Freude über diesen wichtigen Fund war groß, und ich bückte mich, um es dem Todten unterm Kopfe wegzunehmen, welches mir auch leicht gelang; aber in diesem Augenblick, fing der vermeintliche Todte, in einem ärgerlichen Tone zu brummen an, wie jemand den man im Schlafe stören will. Ich erschrack, rief den Gensdarmes, und sagte ihm, daß dieser Soldat schon über 8 Tage hier liege, und noch am Leben sey, und bat ihn, es gehörigen Ortes zu melden; zweifle aber, ob es geschehen sey; denn ich hatte Gelegenheit, eine ähnliche Begebenheit zum zweitenmale zu sehen. Ich begleitete später wo man schon mit mehr Sicherheit – obwohl nie ganz sicher – über die Straße gehen konnte; den Schauspieler Haltenhof in seine Wohnung; und nahe an der rothen Pforte, sagte er: Wir müssen Seitwärts biegen; denn im Durchgang der rothen Pforte, sah ich vor mehreren Tagen, einen todten Husaren in voller Uniform liegen, der jetzt schon ganz in Verwesung übergegangen seyn muß. Mehr wie Haltenhof an solche Scenen gewöhnt, ging ich grade auf die rothe Pforte zu, und immer näher, als ich nicht den mindesten Geruch spürete, bis ich endlich dem Husaren ganz nahe war, und noch Spuren des Lebens an ihn fand. Man kann sich von der Unordnung des damaligen Armeekorps, welches in Moskau war, und welches aus so vielen verschiedenen Völkern und Nationen bestand, gar keinen Begriff machen. Die Disciplin war so gut wie aufgelöset, und Napoleon war zu klug, oder zu schwach, sie mit seiner gewohnten Strenge, wieder herzustellen. Man denke sich die grobe Täuschung einer Armee, die mit der größten Anstrengung bis Moskau vordrang, der große Mangel den sie auf dem Wege dahin leiden mußte, da Städte und Dörfer nicht so dicht an den Straßen liegen, wie in andern Ländern. Nun sollte sie Moskau für alle ausgestandenen Beschwerden vollkommen entschädigen; und was fanden sie hier? Eine brennende Stadt, zerstörte Magazine, und Vorräthe nicht einmal Brodt hatten sie. An Fourage fehlte es gänzlich. Weder Fleisch noch Speck war zu sehen. Nicht einmal ein Obdach fanden die Meisten. Der verpestende Gestank, von übelriechenden Dingen die in großen Massen verbrannt waren, von todten Menschen, u. crepirtem Vieh war unausstehlich, und selbst die siebzehntägige Plünderung die Napoleon erlaubte, gab nur den Allerwenigsten einen kleinen Ersatz. Gold und Silbermünzen fanden sie wenig. Assignationen, besonders wenn sie alt und unscheinbar waren, wußten sie nicht zu schätzen – und erst später ward ein Handel mit russischen Banknoten getrieben, die nicht nach dem Werthe, sondern Paquetweise gegen Gold und Silbermünzen verkauft wurden, wobey manche Einwohner, die sich mit diesem Handel abgaben, große Summen gewannen. Die reich meublirten und gut eingerichteten Häuser welche nicht abgebrannt waren, bewohnten die unzähligen Generäle u. Staabsoffiziere; daher fanden die plündernden Soldaten, ob sie gleich mit Aexten, Brechstangen, und mit Zimmerleute an der Spitze immer in Masse gingen, wenig was sie fortbringen, und sie bereichern konnte. Bey Tage hatte ich in meiner Wohnung wenig Beunruhigung zu befürchten. Die Aufschrift an der Pforte, die vielen Bedienten, und Soldaten welche immer auf dem Hofe waren, verscheuchten die Plünderer. Aber es ging fast keine Nacht vorüber in der nicht ein ganzer Schwarm Plünderer durch die Fenster meiner Zimmer drang, welche im Erdgeschoß des Hauses lagen, und ohne den unermüdlichen Beystand des guten Obristen Couteill, dessen Schlafzimmer sich gerade über den Meinigen befand; wäre ich mindestens großen Mißhandlungen nicht entgangen. Sobald ein solcher Schwarm nahete, schlug ich mit einem dazu bereitgehaltenen Staabe, an die Decke meines Zimmers, und sogleich eilte der Obriste, Degen, und Pistole in der Hand, zur Hülfe herbey, und wenn er nicht in Uniform erschien, hatte auch er manchmal einen harten Stand, weil sich die Plünderer auf die Erlaubniß Napoleons beriefen. Ich sah in den meiner Wohnung gegenüber liegenden Häusern, während des Tages, oft förmliche Scharmützel, zwischen plündernden Soldaten, u. Offizieren zu, die nicht in den Magazinen selbst, sondern im hintern Gebäude der Häuser wohneten, deren vordere Flügel von Modehändlerinnen in Miethe genommen waren und mehrere Soldaten verloren ihr Leben dabey, weil bey solchen Gelegenheiten, sogleich viele Offiziere herbey eileten, die auf der Schmiedebrücke in Quartier standen, um den schönen Modehändlerinnen beyzustehen, die Soldaten aber bestanden darauf nur die Häuser verschonen zu dürfen, die von Offizieren wirklich bewohnet wären. Dieses dienet zum Beweis, wie schwach die Subordination zu dieser Zeit war, und wie wenig Werth ein Menschenleben hatte. Die Offiziere verstanden jedoch ihren Vortheil besser wahrzunehmen. Wenn sie in einem wohl und reich eingerichteten Hause wohnten, und die geheimen Vorraths, oder Verbergungsorte entdeckten, eigneten sie sich das Theurste und Beste davon zu, und luden auch ihre Bekannte und Freunde ein, zu nehmen, was sie selbst nicht mehr brauchten, oder nicht fortbringen können vermeyneten. Auf diese Weise, brachten auch unsre vier Obristen fast täglich, die Schönsten, und theuersten Sachen nach Hause, die sie aus der Wohnung ihrer Freunde, mit deren Bewilligung, nahmen. Dagegen gaben sie nicht zu, daß ihre Bedienten im Demidowschen Hause, die verschlossenen Ambaren, und Kladawoyen öffnen durften, und eben sowenig im Hause, nach verborgenen Dinge suchen durften. Ich zeigte der russischen Behörde, gleich nach ihrer Ankunft in Moskau, sogleich an, daß sich – nach der Schätzung der französischen Offiziere – mehr als für 16000 Franken, kostbare Sachen in ihrer innegehabten Wohnung befänden; welche sie mir bey ihrem Abzuge zwar geschenket hatten, die ich mir aber weder mit Recht zueignen könnte, weil es fremdes Eigenthum war, und auch als gestohlnes Gut, nicht zueignen wollte. Der Major unseres Stadttheils Grandjean, nahm diese Dinge von mir in Empfang, und die fremden Meublen wurden nach der Wohnung des Herrn Grafen Rostoptschin auf der Lubianka gebracht, da man natürlich nicht wissen konnte, aus welchen Häusern sie weggenommen waren. Demidow hatte durchaus keinen Schaden gelitten, vielmehr ist noch manches im Hause geblieben, was die Polizey, in den damaligen Umständen, nicht der Mühe werth hielt, fortnehmen zu lassen. Es hatte sich auch oft ereignet, daß unsere Einwohner, bey ihrer Nachhausekunft von Besuchen bey ihren Freunden, mir Geschenke mitbrachten – welche ihnen freylich nichts gekostet hatten. Ich betheure vor Gott, daß ich trotz allen Zureden, mich nie bewegen ließ, etwas anzunehmen, ob es gleich Sachen von Werth waren. Meine Entschuldigung war stets – da ich den wahren Grund meiner Weigerung – daß es gestohlenes Gut sey – nicht gut angeben konnte: Wenn einst der frühere Eigenthümer diese Sachen in meiner Wohnung fände, könnte er leicht denken, oder sagen: Wo dieses eine Stück meines geraubten Eigenthums sich befindet, muß, oder kann auch alles Andre seyn was mir verloren ging. Durch solche Weigerungen verlor ich nicht das Mindeste in den Augen dieser braven Offiziere, stieg vielmehr sichtbar in Achtung bey ihnen. Einst widersetzte ich mich, nicht ohne Gefahr einem verabschiedeten Kapitain – von Geburt ein Pole – mit aller Anstrengung, da er mehrere Dwornicks von Demidow mitnahm und gemeinschaftlich mit ihnen in der Stadt plünderte, und endlich die geraubten Sachen in unser Haus bringen wollte. Ich hatte diesen Mann, und ein Weibsstück das er bey sich hatte, in meine Wohnung aufgenommen, die zur Tischzeit jedem offenstand, der kommen wollte, und in welcher so viele unter Dach kamen, als Platz vorhanden war. Nach einigen Tagen sah ich ihn, und die obengenannten Personen schwere Bündel tragend auf das Haus zukommen. Sogleich eilete ich der hintern kleine Pforte zu, stellte mich im Eingang und fragte die Dwornicks: Was sie trügen? Ich erhielt zur Antwort: Was wir in den Buden holeten. Nun schalt ich sie Diebe, und Räuber, daß sie sich an dem Guthe ihrer russischen Brüder so sündlich vergriffen haben, und erklärte ihnen, daß ich es nie zugeben würde, solche Sachen ins Haus zu bringen, welches ich zwar französischen Soldaten nicht, aber ihnen als Russen, und Demidows Leibeigene, verbieten könnte. Nun mischte sich der Capitain drein, wollte mich von der Thüre verdrängen und befahl den Leuten, ihre Bündel in den Hof zu tragen. Ich stemmte mich dem Capitain, als dem Voranstehenden entgegen, und überhäufte ihn mit gerechten Vorwürfen; sagte ihm daß er die Offiziersuniform schände, wenn er sie zum Rauben entweihet; und gewiß wäre es für mich übel abgelaufen, wenn nicht Gott in diesem Augenblick den Obristen Couteill herbey geführet hätte; welcher sogleich näher kam, und nach der Ursache unseres Streites fragte. Voll Indignation, stellte ich ihm das schändliche Betragen dieses Mannes vor, welches der Obrist auch vollkommen fühlte, weshalb er dem Capitain befahl sich Augenblicklich zu entfernen, wenn er nicht auf der Stelle füsiliert werden wollte. Der Capitain bat voll Angst „man möchte ihm nur erlauben, seine im Hause noch befindlichen Dulcinäa, und seine Sachen mitnehmen zu dürfen.[“] Der Obrist schickte mich hin, das Weib und die Sachen herbringen zu lassen, und Beydes ward zur Hinterpforte hinaus geworfen. Die Dwornicks erhielten Befehl, die Sachen wieder dahin zu tragen, wo sie solche genommen hatten. Ich habe aber Grund zu vermuthen, daß sie die Sachen irgendwo verbargen, um sie zur gelegenen Zeit wieder ins Haus zu bringen; denn die Polizey fand nachher bei vielen Demidowschen Leuten, mehreres geraubtes Gut, welches ihnen abgenommen ward, und wofür sie gebührende Strafe erhielten. Vermuthlich hatte sich der genannte Capitain auf irgend eine Weise den Schutz der französischen Behörde zu verschaffen gewußt; denn er trug russische Uniform, die er aber durch solchen Gebrauch entehrte. Die andern drey Obristen – denen der Obrist Couteill diesen Vorfall erzählte – lobten mich, und bewiesen mir von dem Tage an auszeichnende Achtung, welches mir recht kenntlich ward, als ich von den vielen Anstrengungen erschöpft aufs Krankenlager sank. Sie befahlen ihren Leuten, kein Geräusch weder im Hofe, noch beym Hinauf– oder hinuntergehen der Treppen zu machen; und wenn sie auch noch so spät in der Nacht, nach Hause kamen, gingen sie niemals hinauf in ihre Wohnung, ohne sich vorher recht theilnehmend nach meinem Befinden erkundiget zu haben. Ja sie brachten mir einmal ein Schulterblatt von einem Reh, aus der kaiserlichen Küche mit, welches für Napoleon geschossen ward, um mir eine Suppe kochen zu lassen. Ende September, an einem heitern Abend, erblickte ich am Horizonth drey große, sehr hohe feurige Säulen, die ein regelmäßiges Dreyeck bildeten. Sie waren sehr hoch, und schön proportioniret. Ich betrachtete und bewunderte diese majestätische Naturerscheinung, mehr mit Andacht, als Schrecken, und ohne mir etwas besonderes dabey zu denken. Endlich kam auch der Obrist Couteill auf den Hof, und als ich ihn auf diese Erscheinung aufmerksam machte, schrie er voll Schrecken, als ob er die Hölle geöffnet sähe. Er rief seine Cameraden herbey, und auch diese äusserten sich auf gleiche Weise. Diese vier tapfern Krieger thaten so ängstlich, deuteten diese Säulen mit so viel Furcht für Unheilbringend, und sprachen so viel, daß auch mir bange ward, und mir endlich sich alle meine Haare aufrichteten. Ich gerieth gleichfalls in Angst, als ob mir das größte Unglück bevorstünde, ob ich gleich eigentlich nicht wußte, was ich eigentlich zu befürchten habe? Schwerlich wurden die Aeusserungen andrer Menschen, bey einer ähnlichen Gelegenheit, eine solche Wirkung bey mir hervorgebracht haben; aber das Benehmen dieser vier tapfern Krieger, war so auffallend, daß ich unwillkürlich mit hingerissen ward, und die Erfahrung machen mußte; wie ansteckend die Furcht Eines, für viele Menschen, werden kann. Ich sagte vorhin, daß alle Tage gleichsam offene Tafel bey mir war, an welcher jeder Antheil nehmen konnte der kommen wollte; und dieses verhielt sich also. An Vorräthen von Roggenmehl, Grütze, geschärftem Kohl, und Salz, hatte ich Ueberfluß; weil diese Dinge von den Franzosen nicht angerühret, vielweniger gegessen wurden. Ich ließ also Brodt backen, große Kessel Grütze und geschärften Kohl kochen; da aber weder Fleisch, Speck, noch Oehl zu haben war, würzte ich diese Speisen mit Pfeffer, und goß sehr guten Estragonessig hinzu – dessen ich wohl an 500 Bouteillen im Keller hatte. Der Hunger that freylich das Beste. Wer aber den Apetit sah, den die Tischgesellschaft groß und klein hatte, mußte glauben, wir genössen die leckersten Speisen. Der Geruch von Estragonessig durchdrang das ganze Haus, wenn die Speisen aufgetragen wurden. Dieses reitzte die Forschbegierde unserer Obristen, und nachdem sie den Essig gekostet hatten, nahmen sie eine Bouteille davon mit nach dem Kreml. Napoleon versicherte, er hätte in Paris keinen bessern Essig genossen; und des andern Tages kam der Präfect du Palais Marechall Duroc zu mir, und nachdem er mir viel Complimente, über das Gute, was ihm die Adjutanten von Berthier von mir gesagt haben, gemacht hatte, sprach er „der Essig, welchen die Herren gestern brachten, habe Napoleon so gut geschmecket, daß er befohlen habe, meinen ganzen Vorrath für die kaiserliche Küche zu kaufen. Er fragte daher nach dem Preis, und wie viele Bouteillen ich noch habe?[“] Ich antwortete: Früher hätte ich die Bouteille zu fünf Rubel verkauft, welches nach französischen Cours fünf Franken beträgt, und meinen Vorrath gab ich nur zu 200 Bouteillen an, weil ich den Rest für unsere Speisen bedurfte, und darum verschwieg. Der Marechal sagte „Gut, die 200 Bouteillen sind für den Kaiser.[“] Ich faßte mir ein Herz, und fragte: Und wann bekomme ich dafür die mir zukommenden 1000 Franken? Duroc blickte mich sehr gutmüthig an, und indem er mich freundlich auf die Schulter klopfte, sagte er: Behalten Sie Ihren Essig. Der Kaiser wird Essig, aber Sie kein Geld kriegen; Ich werde sagen, daß Sie keinen Vorrath mehr haben.

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